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Warum Bio-Apfel nicht gleich Bio-Apfel ist

Bio-Früchte kommen aus China, aus dem Öko-Landbau in Russland kommen Sonnenblumenkerne . Und neben klassischen Bio-Läden bauen die Discounter wie Lidl, Aldi und Plus bauen ihr Bio-Sortiment aus. Experten erklären, was den Unterschied ausmacht.

Immer öfter bezieht der Handel in Deutschland Bio-Lebensmittel aus ökologischem Anbau nicht allein aus Deutschland. Die enorme Nachfrage kann längst nicht mehr nur von heimischen Anbietern bedient werden. So kommen Sonnenblumen-Kerne auch aus Russland oder Bioäpfel aus China. Das wachsende Bio-Angebot bei Discountern und herkömmlichen Lebensmittelhändlern lässt Verbraucher zunehmend fragen: Ist wirklich noch Bio drin, wo Bio draufsteht?

Für Unruhe in der Branche sorgt außerdem der Einstieg der Schwarz-Gruppe mit dem Discounter Lidl bei der Bio-Supermarktkette Basic. "Da vollzieht sich ein elementarer Wandel", heißt es bei der Stiftung Ökologie und Landbau in Bad Dürkheim. Der früher einheitliche Bio-Markt segmentiere sich immer mehr. Bioware vom Discounter müsse allerdings keineswegs schlechter sein als die von kleineren Bioläden. "Es stellt sich aber schon die Frage, wo angesichts der steigenden Nachfrage die enormen Mengen herkommen", sagt Stiftungs-Geschäftsführer Uli Zerger.

Zwar gebe es in Deutschland sehr strenge staatliche Kontrollsysteme, die die hohe Qualität von Biowaren sicherstellten. "Aber Schwachstelle sind die internationalen Produkte", sagt Zerger. Mit zunehmender Distanz zwischen Produzent und Abnehmer wachse das Risiko. "Beim Zitronenbauer aus Sizilien können die jeweiligen Öko-Anbauverbände die Ware noch kontrollieren. Bei der Importware aus China oder Russland muss man davon ausgehen, dass die Kontrollpapiere korrekt sind." Gerade Produkte aus China mit seiner großen Umweltverschmutzung seien aber eher fraglich, meint der Chef der Öko-Stiftung.

Mittlerweile mischen fast alle großen Billigketten bei Bio mit. Der zur Tengelmann-Gruppe zählende Discounter Plus hat schon seit fünf Jahren eine eigene Biomarke. Derzeit stehen 140 "BioBio"-Artikel von in- und ausländischen Anbietern in den Regalen. "Wir führen ständig strenge Qualitätskontrollen durch", heißt es aus der Zentrale in Mülheim.

Auch Lidl hat seit Anfang 2006 ein eigenes Bio-Sortiment, das den Vorschriften der EG-Ökoverordnung entspricht und von zertifizierten Lieferanten bezogen wird. Nach dem Einstieg bei der Biokette Basic hat allerdings der Öko-Lieferant Dennree dem ohnehin umstrittenen Billigheimer die rote Karte gezeigt und die Belieferung von Basic aufgekündigt. "Wir müssen unser einmaliges Know-how doch nicht an Lidl weitergeben", sagt Dennree-Sprecher Peter Knopp. Als einer der ältesten Bio-Großhändler bestückt Dennree 1600 Supermärkte in Deutschland, Österreich und Luxemburg und hat 11.000 Bio-Artikel vor allem aus Deutschland im Angebot.

Die Biowaren von Aldi & Co. tragen zwar überwiegend das EU-Biosiegel. Die deutlich strengeren Siegel von Anbauverbänden wie Naturland oder Demeter findet man dort aber kaum. Diese Öko-Anbauverbände verlangen anders als bei den EU-Siegeln, dass Betriebe komplett auf ökologische Kreislaufwirtschaft umgestellt haben. Für Großbetriebe, die die Discounter beliefern, ist das eine hohe Hürde.

Allein 2006 stieg der Umsatz von Ökoprodukten laut Bauernverband um 15 Prozent auf rund 4,5 Milliarden Euro. Zeitgleich wuchs in Deutschland die ökologisch bewirtschaftete Fläche aber nur um 2,3 Prozent, die Zahl der Bio-Importeure nahm hingegen um 17 Prozent zu. Mittlerweile tragen rund 35.000 Produkte das Bio-Siegel der EU. Über den Transportweg sagt diese Plakette aber beispielsweise nichts aus. Allein ein Bioapfel aus Argentinien legt mindestens 11.000 Kilometer zurück, um in deutsche Regale zu gelangen.

Einer jüngsten Studie des Verbrauchermagazins "Öko-Test" schneidet die Bioware in Supermärkten und Discountern aber erstaunlich gut ab. Von den in den Testlabors untersuchten 75 Lebensmitteln waren fast alle ohne Fehl und Tadel hinsichtlich Qualität und chemischer Rückstände. "Der Apfel muss halt im Sommer für zwei Monate aus Übersee eingeführt werden, weil deutsche Bioware nur bis Juni lagerfähig ist", heißt es beim Großhändler Dennree.

Damit sich die Länge der Transportwege verkürzt, müssten mehr deutsche Bauern auf Bio-Landbau umstellen. "Die Politik muss mehr Anreize schaffen", fordert die Bad Dürkheimer Öko-Stiftung. Der Markt reagiere viel schneller als die Landwirte. Die Bauern brauchten mindestens zwei Jahre für die Umstellung auf Öko. (dpa)

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